Mitglieder der Weißen Rose
Willi Graf, am 2.1.1918 in Kuchenheim bei Euskirchen geboren, wächst in Saarbrücken auf. Er wird im Sinne des konservativ-liberalen Bürgertums erzogen, dessen geistige Werte er schätzt, dessen Konventionen er aber haßt. Aus diesem Grund schließt er sich schon bald der »bündischen Jugend« an. Als Mitglied der katholischen Jugendgruppe »Bund Neudeutschland« und nach deren Verbot, als Freund des »Grauen Ordens«, einem Geheimbund, der sich unter der Leitung von Fritz Leist aus ehemaligen Anhängern der »bündischen Jugend« zusammensetzt, erfährt er, daß Christsein und Menschsein nicht voneinander getrennt existieren, sondern eine unzertrennbare Einheit bilden, was einen politisch denkenden und handelnden Christen fordert. Der Vers aus dem Jakobusbrief »Seid Gefolgschaft in der Tat, nicht nur im Hören der Worte«, wird für ihn zum Orientierungspunkt und Leitfaden seines Lebens. Im Zuge der »endgültigen Ausmerzung« der katholischen Jugendbewegung wird Willi Graf im Frühjahr 1938 aktenkundig und in Bonn, wo er ein Medizinstudium angefangen hat, verhaftet. Aufgrund einer Amnestie nach dem Anschluß Österreichs wird er entlassen. Im Sommer 1938 kommt er zur Wehrmacht. Als Sanitäter erlebt er die Grausamkeit des Krieges in Frankreich, Jugoslawien und später in Polen und Rußland. In einem Brief an seine Schwester schreibt er über die Greueltaten der SS und der Wehrmacht an der russischen Zivilbevölkerung: »Ich wünschte, ich hätte das nicht sehen müssen, was sich in meiner Umgebung zugetragen hat und mich aufs tiefste trifft. Doch so etwas darf man sich nicht wünschen. Schließlich hat alles Erlebte einen Sinn“. Im Frühjahr 1942 kommt er nach München in die Studentenkompanie in der Bergmannschule, um sein Studium fortzusetzen.
Hans Scholl wird am 22.9.1918 in Ingersheim geboren. Sein Vater, Bürgermeister des kleinen schwäbischen Ortes, ist überzeugter Pazifist und hat eine liberale und sozial-humanistische Weltanschauung. Seine Frau, eine ehemalige Diakonissenschwester, erzieht die Kinder im Sinne der christlichen Lehre. Trotz der Bedenken des Vaters treten Hans und seine Schwester Sophie in die HJ ein, weil deren Naturverbundenheit und der dort herrschende Gemeinschaftsgeist sie fasziniert. Als sie von verschwundenen Lehrern, Konzentrationslagern und ermordeten Geisteskranken hören und die militaristischen Ziele der HJ spüren, überdenken sie aber ihre Meinung. Hans wendet sich nun der »bündischen Jugend« zu. Nach dem Abitur und einem halben Jahr Arbeitsdienst meldet er sich im Herbst 1937 freiwillig zum Wehrdienst, um die Waffengattung selbst wählen zu können. Im Zuge der Verhaftungswellen von 1937 wird auch er verhaftet und die ganze Familie Scholl von der Gestapo verhört. Von der Zeit, in der er in Untersuchungshaft war, schreibt er, daß er »in diesen Tagen mehr zum Mann geworden« sei, als er vorher geahnt hätte. Er nennt zwei Gründe, daß er in den entscheidenden Momenten nicht versagt habe : Den einen sieht er bei seinen Eltern, deren feste und klare Haltung gegen den Nationalsozialismus ihn widerstandsfähig gemacht hätten. Der andere liegt in den Erfahrungen, die er in der illegalen Jugendgruppe sammeln konnte. Zur gleichen Zeit fängt Hans an, sich mit den philosophischen Lehren von Sokrates und Platon, sowie mit denen der frühen christlichen Denker auseinanderzusetzen.
Seine Abneigung gegen das Regime verstärkt sich, als er den Frankreich-Feldzug als Sanitäter mitmachen muß. Im Herbst 1940 setzt er sein Medizinstudium in der Bergmannschule in München fort.
Sophie Scholl wird am 9.5.1921 in Forchtenberg/Württemberg geboren, wohin die Familie inzwischen übergesiedelt war. Nach dem Abitur, 1940 in Ulm, besucht sie das Fröbel-Seminar, macht dort 1941 ein Examen für Kindergärtnerinnen und beginnt nach einem Jahr Arbeits- und Kriegshilfedienst das Studium der Biologie und Philosophie in München. Die anfängliche Begeisterung für die HJ schlägt, wie bei ihrem Bruder, in Skepsis um.
Christoph Probst wird am 6.11.1919 in Murnau geboren. Nach dem Besuch verschiedener Schulen legt er 1937 das Abitur ab. Sein Vater, ein Privatgelehrter für Religionswissenschaften und Kunstgeschichte, ist mit den Malern Paul Klee und Emil Nolde befreundet. Die Unmenschlichkeit des Nationalsozialismus erfährt er in der eigenen Familie, weil seine Stiefmutter Jüdin ist. Nach dem Arbeitsdienst wird er im Herbst 1937 zur Luftwaffe eingezogen. 1939 beginnt er ein Medizinstudium in München, wo er im Frühjahr 1940 Herta Dohrn heiratet. Ihr Vater ist der noch am 29.4.1945 erschossene Harald Dohrn. Im Juni 1940 kommt Christophs erster Sohn zur Welt. Über seinen Schwiegervater lernt Christoph Theodor Hecker und Carl Muth kennen. Sein zweiter Sohn wird im Dezember 1941 geboren. Das Wintersemester 1941/42 verbringt er in Straßburg. Nach dem Sommersemester 1942 in München setzt er sein Studium in Innsbruck fort.
Alexander Schmorell wird am 16.9.1917 in Orenburg/Rußland geboren. 1921 siedelt die Familie nach München um. Bevor er 1937 das Abitur ablegt, verbringt Alex ein gemeinsames Schuljahr mit Christoph Probst. Nach einem halben Jahr Arbeitsdienst beginnt er am 1.11.1938 den Militärdienst. Dabei erlebt er den Einmarsch in Österreich und in das Sudetenland. Seine Abneigung gegen das Regime wird durch die dabei gemachte Erfahrung, daß die deutsche Wehrmacht als Eroberer kommt, bestärkt. Mit Christoph Probst und dessen Schwester Angelika trifft sich Alex häufiger. Im Sommer 1939 beginnt er ein Medizinstudium in Hamburg, wo er Traute Lafrenz kennenlernt.
Wie Hans Scholl muß auch er den Frankreich-Feldzug mitmachen. Im Herbst 1940 kommt er zur Weiterführung des Studiums nach München, in die Studentenkompanie in der Bergmannschule.
Diese fünf Studenten, die als die Gründer der Weißen Rose bezeichnet werden können, haben nicht nur gleiche oder ähnliche Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus gemacht, sondern, da sie alle aus dem konservativ-liberalen Bürgertum stammen, verbinden sie gleiche geistige Interessen und die zunehmende Abneigung gegen den Nationalsozialismus. Wichtig für die Aktionen der Weißen Rose sind aber auch ihre geistigen Mentoren, die sie in München unterstützen. Zunächst ist Professor Kurt Huber zu nennen, der später auch Mitglied der Gruppe wird. Von großer Bedeutung für seine Einstellung gegen den Nationalsozialismus ist die NS-Kulturpolitik, die viele von ihm hoch geschätzte Philosophen und Wissenschaftler totschweigt und die alten kulturellen Werte vernachlässigt. Aber auch den politischen Auseinandersetzungen der Weimarer Republik steht er skeptisch gegenüber. Durch die Inflation 1923 verlor er das väterliche Vermögen, was diese Abneigung bestärkt.
Seine Familie lebt in sehr bescheidenen finanziellen Verhältnissen, da er wegen seiner kritischen Einstellung zum Nationalsozialismus nur außerordentlicher Professor ist und ein sehr geringes Gehalt bezieht. Um die Situation der Familie zu verbessern, stellt seine Frau im April 1940 einen Antrag zur Aufnahme in die Partei. Als Parteianwärter erhält er sofort ein höheres Gehalt.
Auch Carl Muth und Theodor Haecker haben einen großen Einfluß auf die Studenten. Carl Muth (1867 – 1944) ist katholischer Publizist und Herausgeber der verbotenen katholischen Zeitschrift »Hochland«, einer Monatszeitschrift für alle Gebiete des Wissens, der Literatur und der Kunst.
Mit ihm bekannt ist Theodor Haecker (1879 – 1945), ebenfalls katholischer Publizist, der beim »Hochland« mitarbeitet und von den Nationalsozialisten mit einem Rede- und Schreibverbot belegt war. Durch versteckte Anspielungen und Zitate im »Hochland« zeigt sich die anti-nationalsozialistische Einstellung der Redakteure.
