Kurt Huber war ein religiöser Mensch. So verteidigte er beispielsweise seinen katholischen Glauben aufs schärfste gegenüber dem damaligen Ortsgruppenleiter Dorsch, als der ihn aufforderte, aus der Kirche auszutreten.
Er war in Stuttgart sowohl in der katholischen Religion (in der Pfarrei) wie auch in der evangelischen (Pflichtstunde in der Schule) erzogen worden. Dieser frühen, Toleranz fördernden Prägung entsprang wohl seine im streng dogmatischen Sinn praktizierte Katholizität.
Der sein ganzes Leben bestehende Drang, die Welt so umfassend wie möglich zu begreifen, führt ihn von der Psychologie und Philosophie über die Mathematik und Geschichte hin zur Religion und Volksmusik.
Es ist seine feste Überzeugung, daß der Ursprung allen friedlichen menschlichen Zusammenlebens in der harmonischen Beziehung zwischen Mensch und Religion wurzelt.
So läßt sich seine Hingezogenheit zum Volkslied besser begreifen, denn Christentum und Volkstum läßt sich für ihn ebensowenig trennen wie Volkstum und Volksmusik.
In dem Aufsatz »Religion und Volkstum« vom Oktober 1934, erschienen in den »Akademischen Monatsblättern«, wendet sich Kurt Huber entschieden gegen die einsetzende Bekämpfung des Christentums durch die nationalsozialistische Kulturpolitik:
»Ich gehe vom deutschen Volkstum als Gegenstand der Forschung aus, dem gewordenen, gewesenen, bestehenden. Und da kann kein Zweifel sein: Wo sich in Sitte und Brauch, Glaube und Aberglaube, in Sage, Märchen, Mythus, in Volkskunst und Volkslied deutsches Volkstum bis heute lebendig und rein erhalten hat, ist es eingebaut in eine bestimmte Geisteshaltung: Die Geisteshaltung des christlichen Menschen. Von Süd nach Nord, von Ost nach West in der Heimat, in den abgesprengten Deutschtumszellen des Auslandes ist überall dasselbe Bild: Der christliche deutsche Mensch katholischer wie reformatorischer Prägung ist bis zur Stunde der Träger und Bewahrer echten, alten deutschen Volksguts. Und Deutschtum der echtesten, unverfälschten Art prägt sich in beiden religiösen Grundgestalten volksmäßigen, volkserlebten Christentums aus.
Man kann sich der Bedeutungsschwere dieser Grundtatsache nicht genug versichern. Nur wo Christus lebendig, volksnahe ist, haben wir bis zur Gegenwart ein deutsches Brauchtum. Es schwand und schwindet mit dem Schwinden des Kreuzesglaubens. Man kann ein deutsches Volkstum ohne Christus schaffen wollen. Da ist es nirgends und niemals vermöchten aus heidnischer Vorzeit hervorgeholte Surrogate das Fehlen des Erbgewordenen zu ersetzen. Das gewachsene deutsche Volkstum historisch greifbarer Vergangenheit ist seit einem Jahrtausend Volkstum eines im innersten Herzen christlichen Volkes. Man zerstört es ins Mark, wenn man es dieser seiner religiösen Grundgestalt entkleiden will.«
Schon zu diesem Zeitpunkt sieht also Kurt Huber in den Aktivitäten des NS-Regimes die Gefahr der Verflachung, der Gleichschaltung und des Mißbrauchs deutscher Kultur. Mit der Zeit beschäftigt er sich immer mehr mit dem Volkslied, um es sowohl dem einfachen Volk wie auch gebildeten Schichten nahezubringen. Denn nach seiner Auffassung wird jeder, der sich zum Volkslied und zu der geistigen Haltung, die es verkörpert, bekennt, sich auch zum Volkstum und somit unweigerlich auch zum Christentum bekennen.
Kurt Huber, obwohl selbst konservativ, bekämpft zweifelsohne von Anfang an den totalitären NS-Staat. Er empfindet eine tiefe Abneigung gegen die Flachheit und Intoleranz der Kultur, die im Dritten Reich als arische Kunst verherrlicht wird. Besonders trifft es ihn, daß viele Volkslieder, wie er es nannte, zersungen, d. h. alten volkstümlichen Melodien nationalsozialistische Texte angedichtet werden. Auf diese Weise wird dann unter dem Vorwand der traditionellen Kunst die breite Masse propagandistisch beeinflußt.
Kurt Huber sieht in der Pflege des ursprünglichen Volksliedes ein wirksames Mittel, diese nationalsozialistische Propaganda zu unterbinden.
