Kurt Hubers Wirken als Wissenschaftler und Lehrer konzentriert sich auf zwei Bereiche: zum einen auf die Musikwissenschaft, zum anderen auf seine Philosophie-Professur an der Münchner Universität, während der die Beschäftigung mit Leibniz in den Vordergrund tritt.
An der Münchner Universität habilitiert er sich 1920 bei Professor Erich Becher. Ab 1926 hat er, in Verbindung mit einem Lehrauftrag für experimentelle und angewandte Psychologie, den Titel eines außerordentlichen Professors inne, allerdings ohne Gehalt. Die Situation eines deutschen Gelehrten in der Weimarer Republik und insbesondere dann im Drittten Reich ist geprägt von finanziellen Problemen und beruflichen Unsicherheiten. Clara Huber beschreibt dies in ihrer Gedenkschrift: „1929 heirateten wir. Ich glaube, wenige Außenstehende machen sich einen richtigen Begriff davon, wie einfach und oft sorgenreich das äußere Leben vieler junger deutscher Gelehrter ist, nur dem ertragbar, den ein schrankenloser Idealismus erfüllt: Unermüdliche Arbeit, unberechenbarer Aufstieg, oft jahrzehntelang durch Mißverständnis oder unglückliche Zufälle ohne sichtbaren Erfolg, kärgliche Besoldung, die nur durch immer neue, anstrengende Nebenarbeiten auf ein lebensmögliches Maß gehoben werden kann. Vor 1939 hatte ein deutscher Dozent als solcher überhaupt keine dienstliche Einnahme und nachher war sie oft von politischer Willkür abhängig.“
Ein mager besoldeter vierstündiger Lehrauftrag für experimentelle und angewandte Psychologie, der später auch noch Musik- und Tonpsychologie und psychologische Volksliedkunde einschloß, bilden zunächst die Einkommensgrundlage. 1929 – 1932 erhält er die Vertretung bei den Lehramtsprüfungen in Psychologie und Philosophie, 1933 einen zweistündigen Lehrauftrag für Methodenlehre.

Die Berufung auf einen ordentlichen Lehrstuhl wird durch die nationalsozialistische Hochschulpolitik verhindert; als Begründung zieht man die fadenscheinigsten Ursachen heran. So zum Beispiel seine kaum wahrnehmbare körperliche Behinderung. Dazu Clara Huber: „Ein Hochschulreferent gab ihm zu verstehen, dass man nur Professoren gebrauchen könne, die auch Offiziere sein können.“ Kurt Hubers Vortragsweise findet bei den meisten Studenten Bewunderung. Er spricht oft frei oder nur nach Stichwortzettel. Die damalige Studentin Dr. Hermine Maier berichtet: „Er war ein kritischer Denker, dessen Wesen eine strenge Logik zugrunde lag. Man hatte in seinen Vorlesungen den Eindruck, es handle sich nicht um eine Darstellung der Philosophie und des Logischen in ihr, sondern um deren Erzeugung auf originelle Weise. Dieser Eindruck haftete indes nicht nur jenem Problembereich an, der seine Vorlesungen und Übungen im wesentlichen erfüllte und sich innerhalb der logischen und erkenntnistheoretischen Problematik bewegte, er charakterisierte auch seine philosophiegeschichtlichen Darstellungen, die stets als Darstellung der Probleme, mehr noch, als eine kritische Betrachtung ihrer historischen Entwicklung und eine schöpferische Schau ihrer zukünftigen geboten wurden. Sie gipfeln in den Leibniz-Vorlesungen, die bestätigen, daß Kurt Huber wirklich ein origineller Denker unserer Zeit war. … Seine persönliche Sprache erreichte den vorstellbar höchsten Grad von Reinheit und logischer Kraft.“
Kurt Huber äußert sich 1921 selbst: „Schreiben und Denken im Vorlesungsstil machen nicht frei von dem eigenen Drang, der manchmal in mir stärker auftaucht: Das Innere selbst in seinen geistigen Verknüpfungen an die Oberfläche treten zu lassen. Die wissenschaftliche Formulierung ist oft Lüge, nur die künstlerische könnte unter Symbolen, im Flug der Fantasie Wahrheit geben.
Während ich meine Musikästhethik schreibe, kämpfe ich mit dem Ungehalt der Worte. Ich will objektiv schreiben, darstellen und kann das subjektive, persönlichste Erleben nicht fassen. Wie weit ist doch die Welt im Kunstwerk, in der simpelsten Melodie, wie eng in der subtilsten Analyse. Man wäscht Goldsand und läßt das Gold durch das Sieb der Begriffe rinnen.Was bleibt, ist Sand. Das echte Kunstwerk ist unerschöpflich wie das Leben selbst. Wem es gelingt, diese Unerschöpflichkeit in aller Stärke fühlbar zu machen, sei es auf welchem Wege er wolle, der leistet für die Welterkenntnis mehr als der subtil analysierende Theoretiker. Wo ich Kunst und Leben suchte, habe ich beides immer komplizierter gefunden als vermutet. Reicher, nicht schöner.“
Über den philosophischen Stil vermerkt er: „Es gibt Menschen, die so schlecht schreiben, daß sie nur Bücher schreiben können. Sie waren nie Philosophen. Kürze ist ein Ergebnis strenger Selbsterziehung. Man muß erst begreifen lernen, daß es über das Denken hinaus nur noch Schwatzen gibt. Ein Philosoph müßte seinem Wesen entsprechend sich kurz und schlagend auszudrücken vermögen, soferne er nämlich ein Denker sein soll. Die besten Stellen klassischer Denker sind Musterbeispiele unnachgiebiger Gedankenkonzentration: Leibniz drängt eines der verwickeltsten Systeme auf wenige Seiten zusammen; Descartes erörtert ewige Problemstellungen in ein paar Meditationen. Das Kernstück der,Kritik der reinen Vernunft‘, die transzendentale Deduktion der reinen Verstandesbegriffe, meißelt Satz um Satz.
Philosophische Kürze ist eine moralische Verpflichtung. Große Denker haben sie instinktiv gefühlt. Der Lapidarschritt großer philosophischer Eingebungen verträgt kein Hängen und Hinken. Kürze ist nicht Kurzatmigkeit. Es gibt Schriftsteller, die jeden Satz so überprägen, daß sie kein zusammenhängendes Ganzes zuwege bringen. Es sind nicht die schlechtesten, vielmehr gerade Meister der sprachlichen Form: Der späte Nietzsche krankt an solcher Uberformung. Seine Werke sind auch äußerlich bestenfalls ,Kollektaneen‘ geistreicher Einzelsätze. – Sie sind darum freilich mehr als System, Prophetien eines philosophischen Sehers.
Der Sinn philosophischer Gedankenführung ist hingegen Begründung, Verbindung, Durchwebung zum System. Der Gedankensplitterphilosoph ist mehr Künstler als Philosoph. Er opfert dem Glanz des Einzelgedankens die Idee der durchgängigen Verknüpfung.
Umgekehrt führt das Streben nach durchgängiger Verknüpfung manchen großen Denker auf Irrwege und Umwege. Aristoteles‘ Beweise sind keineswegs immer die im Sinne des Systems kürzesten und bündigsten. Kant und Hegel verstricken sich in selbstgeschaffene Schematismen. Platos Dichotomien, Kants Trichonomien, Hegels dialektische Antinomien lähmen oft genug den natürlichen Gedankenfluß; ja sie stellen zuweilen Probleme, die keine sind, und sind im letzten die Quelle ermüdender Wiederholungen und Weitschweifigkeiten.
Die menschliche Vernunft, nach Kant ,dermaßen baulustig‘, ist auch dermaßen so baumeisterlich, daß sie immer wieder nach einem geregelten Bauplan das Universum zu begreifen und im ,Umgreifen‘ in Fesseln zu schlagen unternimmt. Und immer wieder durchbricht das philosophische Genie die selbstgelegten Fesseln: So bei Aristoteles und Plato, bei Thomas, Kant und Fichte, bei Hegel und Lotze.“
Kurt Hubers Lehrveranstaltungen an der Universität geben Zeugnis von seinem breiten geistigen Horizont, besondere Resonanz finden die Vorlesungen über Leibniz.

Die Beschäftigung mit Leibniz wird mehr und mehr intensiviert, und sie weitet sich letztendlich zu seinem Lebenswerk aus, einer umfassenden Biographie. Gottfried Wilhelm Leibniz, ein Wissenschaftler, Philosoph und Schriftsteller des ausgehenden 17. und beginnenden 18. Jahrhunderts, kann man als einen der letzten Universalgelehrten bezeichnen. Er studierte Jura, Philosophie und Mathematik, arbeitete als Bibliothekar und Hofhistoriograph in Hannover und Wolfenbüttel und gründete die preußische Akademie der Wissenschaften. Er war ein Verfechter einer universalen, allesverbindenden Wissenschaft und begründete sein Denken in der Monadenlehre. Danach ist das Universum ein geordnetes System von körperlich-geistigen Einheiten (Monaden), die in ihrer inneren Bewegung vom Schöpfer, der göttlichen Monade, aufeinander abgestimmt, eine „prästabilisierte Harmonie“ bewirken.
Eben diese Universalität Leibniz‘ ist bis zu einem gewissen Grade auch Professor Kurt Huber zu eigen. Auf allen wesentlichen Gebieten, mit denen sich Leibniz beschäftigt hatte, ist auch er tätig. Kurt Huber wollte Leibniz immer insgesamt betrachtet und verstanden wissen, und nicht nur auf bestimmte Wissenschaftsbereiche beschränkt.
Zu Beginn des Winters 1941/42 kann er sich so auch auf Anregung Kläre Buchmanns, der Neubegründerin des Cotta-Verlages, entschließen, eine Biographie Leibniz‘ in Angriff zu nehmen. Dies ist umso bemerkenswerter, da erst 125 Jahre nach dessen Tod die erste Biographie verfaßt wurde und Kurt Huber weitere 100 Jahre später sein zweiter Biograph geworden wäre. In der Zwischenzeit wurden nur Abhandlungen oder Teildarstellungen Leibniz‘ veröffentlicht.
Kurt Huber ist sich der Schwere seiner Aufgabe bewußt, zumal die Biographie für eine Reihe „Die Denker Europas“ geplant ist, also möglichst allgemeinverständlich geschrieben und ohne Fußnoten verfaßt werden soll.
Hubers Leibnizbiographie ist ein Fragment geblieben. Die ersten drei Kapitel liegen 1942 vollständig vor, die Ereignisse des Winters 1942/43 lassen ihn keine Zeit mehr finden, die letzten beiden Kapitel zu beenden. Noch während seiner lnhaftierungszeit bis zur Vollstreckung des Urteils arbeitet er fieberhaft, doch fertig wird er nicht mehr.
1951 wird dennoch aus seinem Nachlaß eine Biographie mit dem Titel „G.W. Leibniz, Bildnis eines deutschen Menschen“ durch Inge Köck in Verbindung mit Clara Huber herausgegeben. Frau Köck vermeidet es, Lücken auszufüllen, läßt alles so stehen, wie es Kurt Huber verfaßte. Aufgrund dieser Unvollständigkeit findet das Werk nicht die gebotene Beachtung und ist unter Kritikern auch nicht unumstritten. Doch dem Leser steht Leibniz‘ Werk wirklich vor Augen und zugleich wird er von Kurt Hubers präziser Darstellung fasziniert.

