13. Juli 43. Vokaltheorie § 4 -18-1
[hö]ren wir, da die y-Faser = 256 s in der Hüllkurve der A-Schwingung schwingt, „den Vokal A auf c’“ – was ja nur ein kürzerer Ausdruck für die Wahrnehm
——-
Innigstgeliebtes, armes Clärlein!
Inniggeliebte herzensbrave Birgit
Und mein süsser kleiner Wolfi!
Mitten in der Arbeit für Euch hat mich heute die
Nachricht ereilt, die ich längst erwartete. Liebste!
Freut Euch mit mir! Ich darf für mein Vaterland, für ein gerechtes und schöneres Vaterland, das bestimmt aus diesem Krieg hervorgehen wird.
Inniggeliebte Clara! Dein Leben war ein Dornenweg, aber Du bist heute schon eine Heilige, Verzeihe mir alles, was ich an Dir gefehlt habe! Ich habe Dich innig und von ganzem Herzen lieb, und ich bin bei Dir und den geliebten Kinderlein alle Tage, bis ihr mir dahin nachfolgt, wo es keine Trennung mehr gibt! In Deine liebe, sorgende Hand lege ich das Schicksal und die Erziehung unserer geliebten Kinder. Ich weiss, daß sie an den Vadder denken und ihrer geliebten Mami alle Freude machen werden, die sie ihr an den Augen absehen können. Geliebte Clara! Der Tod trennt uns in dem Augenblick, wo wir uns am allernächsten sind. Vor einem Jahr sind wir glücklich miteinander nach dem schönen Mösern gewandert und haben in den dunkelblauen Blindsee2 geschaut. Denke an die herrlichen Stunden, an unser Zusammensein mit den Kinderlein und vergiss alles Leid! Wir bleiben ein Herz und eine Seele. Stell‘ Dich mit den Kinderlein unter das Kreuz, alles andere wird Euch hundert- und tausendfach werden. Und seid stolz, dass Ihr Euren Anteil tragt am Kampf um ein neues Deutschland! Ihr seid Helden wie die Frauen und Kinder, die den Vater an der Front verloren. – Du hast mir, geliebte Clara, in diesen schweren Monaten so unendlich viel Liebe erwiesen und mir die Leidenszeit so verschönt, dass ich nicht weiss, wie ich Dir danken kann. Wenn ich nicht wüsste, dass ich Dir drüben in einem besseren Jenseits zur Seite stehen darf, wäre ich ein Bettler. So aber bleibe ich Dir ewig verbunden.
Liebste Birgit!
Dein Lebensweg ist ernst und dunkel im Anfang, aber hell in der Zukunft. Deine und Mütterleins Briefe waren mir ein unendlicher Trost. Ich weiss, Du bleibst der Mutter Stütze und rechte Hand. Dein Vater vergisst Dich nicht und betet für Euch. Der liebe Gott hat Dir reiche Gaben geschenkt. Nütze sie, freue Dich an Musik und Dichtung und bleibe weiter der liebe gute Engel, der Du uns warst.
Liebster tapferer kleiner Wolfi!
Vor Dir liegt noch das ganze schöne Leben offen. Du wirst ein braver Bub und ein tüchtiger Mann, Mutters Beschützer und Stolz! Und denke immer, wenn es Dir einmal schwer wird im Leben, an den Vadder, der für seinen lieben Buben weiter sorgt!
Ihr Liebsten!
Weint nicht um mich – ich bin glücklich und geborgen. Die Alpenrosen, Euer letzter lieber Gruss aus den geliebten Bergen, stehen verblüht vor mir. Ich gehe in zwei Stunden in die wahre Bergfreiheit ein, um die ich ein Leben gekämpft habe. Ich umarme und küsse Dich, inniggeliebte Clara, in dankbarster Liebe! Ich umarme und küsse Euch geliebte Kinderlein! Grüsst alle lieben Geschwister, die meinen und die Deinen, liebste Clara, und die liebe Mama von ganzem Herzen! Grüsst alle lieben Freunde und besonders auch die lieben v. Müllers, die mir so viel Liebe und Güte erwiesen haben! –
Geliebte! Noch eine kleine Stunde! Mein letzter Wunsch:
Herr, o Herr, ich bin bereit,
Es segne Euch der Reis‘
an Deiner Freundeshand
allmächtige Gott und
Fröhlich in die Ewigkeit!
Segne unser deutsches Land,
Segne Frau und Kinder mein,
Tröste sie in aller Pein,
Schenk den Liebsten Du hienieden
Deiner Liebe Gottesfrieden!
Es segne euch der allmächtige Gott,
und nehme Euch in seinen Schutz!
Euer Euch liebender Vater.
[am Rand oben, quer zur Schrift:]
Liebste! Einen letzten tapferen Schluck des edlen Portweins trinke ich auf Euer Wohl und auf das Wohl unseres geliebten Vaterlandes!
Liebe Paula, Dora und Richard! In letzter Stunde
gedenkt Euer innig und dankt Euch
von ganzem Herzen für Eure Liebe
Euer Kurt
Im Original am Rand unten geschrieben


Anmerkungen:
1 Der Abschiedsbrief steht auf einer Abhandlung über Vokaltheorie, mit der sich Huber seit vielen Jahren beschäftigte. Was heute kein wissenschaftliches Problem mehr ist, war die damals viel diskutierte Frage, wie sich ein Vokal aus verschiedenen sinusförmigen Teilschwingungen zusammensetzt, und wie sich diese zueinander verhalten, wenn beispielsweise die Grundfrequenz, die Stimmhöhe, variiert. Huber hatte damals einen Standpunkt vertreten, der heute Standard ist.
2 Mösern: bei Seefeld in Tirol; Blindsee: im Zugspitzgebiet.
